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Voice Commerce: Die nächste Revolution im E-Commerce?

In „Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart“ gibt es eine legendäre Szene, in der Chefingenieur Scotty versucht, mit einem Computer aus den 1980er Jahren zu interagieren. Er spricht in die Maus und sagt: „Computer? Hallo, Computer.“ Der anwesende Dr. Nichols weist ihn darauf hin, dass er die Tastatur benutzen soll, woraufhin Scotty antwortet: „Tastatur. Wie rückständig!“


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Diese Szene verdeutlicht humorvoll, wie selbstverständlich die Sprachsteuerung in der Zukunft angenommen wird und wie fremd irgendwann die manuelle Eingabe über Tastatur und Maus erscheinen könnte.

Inzwischen durchdringt der zunehmende Einsatz sprachgesteuerter Eingabe unseren Alltag. Langsam wandelt sich die Art und Weise, wie wir mit Technologie interagieren, grundlegend: Die Stimme wird zunehmend zur primären Schnittstelle. Man denke an die Speech-to-Text-Interaktionen mit KI-Modellen wie ChatGPT oder Google Gemini, die mehr oder weniger intuitiven Sprachbefehle in modernen PKWs zur Navigation und Mediensteuerung – oder auch die wachsende Popularität von Voice Commerce.

Was ist Voice Commerce?

Voice Commerce ist eine innovative Technologie, die die Art und Weise, wie Konsumenten online einkaufen, grundlegend verändern könnte. Sie ermöglicht es Kunden, Produkte per Sprachbefehl zu suchen und zu kaufen, wodurch die Notwendigkeit der Benutzung von Tastaturen und Bildschirmen reduziert wird.

Diese Technologie basiert aktuell auf der Nutzung von Sprachassistenten wie Amazon Alexa, Google Assistant und Apple Siri. Diese intelligenten Assistenten verwenden fortschrittliche Spracherkennungsalgorithmen und künstliche Intelligenz (KI), um die Absichten der Nutzer zu verstehen und entsprechende Aktionen auszulösen. Für Betreiber von Onlineshops, sicher auch im Möbelhandel, könnte dies neue Möglichkeiten eröffnen, das Einkaufserlebnis zu revolutionieren und den Komfort für die Kunden zu steigern.

So funktioniert der sprachgesteuerte Einkauf aktuell

Der Ablauf eines typischen Voice-Commerce-Einkaufs ist ein mehrstufiger Prozess, der mit der Aktivierung des Sprachassistenten beginnt, üblicherweise durch einen Befehl wie „Hey Siri“ oder „Alexa“. Anschließend formuliert der Nutzer seine Produktanfrage in natürlicher Sprache. Der Assistent analysiert diese Anfrage mithilfe von Natural Language Processing (NLP) und präsentiert daraufhin passende Produkte oder Dienstleistungen. Der Nutzer kann nun Artikel auswählen und den Kauf abschließen, wobei der gesamte Vorgang per Sprachsteuerung abgewickelt wird.

Derzeit dominieren drei Hauptanbieter den Voice-Commerce-Markt:

  • Amazon Alexa: Ermöglicht Einkäufe direkt bei Amazon sowie bei ausgewählten Partnern wie Walmart und Best Buy.
  • Google Assistant: Bietet Einkaufsmöglichkeiten über Google Shopping und unterstützt Transaktionen bei einer Vielzahl von Einzelhändlern.
  • Apple Siri: Erlaubt Einkäufe im Apple Store und unterstützt Peer-to-Peer-Zahlungen.

Vorteile und Herausforderungen von Voice Commerce

Wie jede neue Technologie bringt auch Voice Commerce sowohl Vorteile als auch Herausforderungen mit sich.

Vorteile

  • Bequemlichkeit: Einkäufe lassen sich schnell und unkompliziert per Sprachbefehl erledigen.
  • Barrierefreiheit: Besonders hilfreich für Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder Sehkraft.
  • Personalisierung: Sprachassistenten bieten maßgeschneiderte Produktempfehlungen auf Basis des Nutzerverhaltens.

Herausforderungen

  • Begrenzte Produktauswahl: Voice Commerce eignet sich derzeit vor allem für Produkte bei welchen visuelle Begutachtung weniger wichtig ist, z.B. Lebensmittel oder Elektronikgeräte.
  • Datenschutz & Sicherheit: Sprachaufzeichnungen und persönliche Daten müssen geschützt werden.
  • Gewöhnungseffekt: Viele Nutzer sind es noch nicht gewohnt, Einkäufe per Sprachbefehl zu tätigen.

Zukunftsvision: Wie Voice Commerce den Möbelhandel verändern könnte

Da wir mit dieser E-Commerce-Variante noch ganz am Anfang stehen, erlauben wir uns hier einen Ausblick auf eine mögliche Verwendung dieser Technologie. In Zukunft könnte sich Voice Commerce zu einem der zentralen Interaktionskanäle zwischen Endverbrauchern und Onlinehändlern entwickeln. Dabei spielt die Stimme als primäre Benutzerschnittstelle eine tragende Rolle: Während heute noch Tastatur und Maus den E-Commerce dominieren, könnte künftig ein Großteil der Interaktionen mit einem Onlineshop mit Hilfe natürlicher Sprache erfolgen.

Im Möbelhandel sind Produkte oft beratungsintensiv und individuell anpassbar – eine perfekte Umgebung für Voice Commerce.

Wesentliche Komponenten im Voice-Commerce-Ökosystem

  • Sprachassistent: Erkennt und versteht verbale Eingaben (z. B. über Smart Speaker oder Smartphone).
  • KI-gestützte Produktempfehlung: Auswertung von Nutzerdaten und Kontextinformationen, um gezielte Empfehlungen zu geben.
  • Augmented Reality Integration: Visuelle Darstellung von Produkten im Wohnraum des Kunden, ergänzt durch interaktive Konfigurationsoptionen.
  • Sicherer Checkout: Sprach- oder biometrische Authentifizierung für den Kaufabschluss.
  • After-Sales-Services: Auf Voice-Commerce basierende Abwicklung von Liefer- und Serviceanfragen.
Diese Komponenten sind nicht nur technologischer Natur, sondern erfordern auch eine entsprechende Infrastruktur im Onlineshop – etwa eine dynamische Produktdatenbank, die individuell Anpassbare Informationen liefert.

bärtiger Mann mittleren Alters in dunkelblauem Hemd hält Smartphone aufrecht, um Sprachmodus zu verwenden

Beispielszene: Ein interessierter Möbelkäufer besucht den Onlineshop
Stellen wir uns einen typischen Anwendungsfall in naher Zukunft vor: Der interessierte Kunde, ein potenzieller Käufer eines neuen Polstermöbels, möchte ein Sofa finden, das zu seinem Einrichtungsstil passt. Dazu besucht er den Onlineshop eines Möbelhändlers und aktiviert den Sprachassistenten. Nach dem Öffnen des Onlineshops im Browser erscheint beispielsweise ein gut sichtbarer Mikrofon-Button, der als zentrale Einstiegsstelle für die Sprachinteraktion dient. Sobald der Kunde auf dieses Symbol klickt, fragt der Browser um Erlaubnis, auf das Mikrofon zuzugreifen. Nach Freigabe kann der Kunde direkt in sein Endgerät sprechen, etwa: “Ich suche ein modernes Sofa für mein Wohnzimmer, gerne in hellem Grau oder Beige.“ 
Der Onlineshop, der dafür eine integrierte Sprachverarbeitungslösung nutzt, erkennt die Anfrage per Speech-to-Text und übergibt sie an das Shop-spezifische Such- und Empfehlungssystem. Anschließend werden passende Produkte im Shop angezeigt, oft ergänzt um KI-gestützte Rückfragen, die den Einkauf weiter präzisieren: 

  • „Bevorzugen Sie ein Stoff- oder Ledersofa?” 

  • Darf das Sofa eine Schlaffunktion haben?“ 

Auch hier kann dann direkt per Sprache geantwortet werden. Das erspart dem Kunden das Eintippen von Suchbegriffen oder das manuelle Durchforsten unzähliger Filter. Durch diese Funktionalität entsteht eine browserbasierte Voice-Commerce-Erfahrung, die ähnlich intuitiv wie die Interaktion mit einem Smart Speaker wie Alexa ist – jedoch komplett innerhalb der gewohnten Shop-Website stattfindet. 

Anhand dieser Anfrage nimmt das Shop-System eine erste Filterung vor. Daraufhin kann das System Rückfragen stellen, um genauere Informationen zu erhalten:

  • „Soll das Sofa als Schlafsofa nutzbar sein?“ 

  •  „Werden bestimmte Farben oder Materialien bevorzugt?“

  • „Gibt es Preisgrenzen oder Maße, die beachtet werden müssen?“

Diese Art der kontextbezogenen Ermittlung von Produktanforderungen ist ein Kernvorteil: Der Voice-Assistent kann Schritt für Schritt die Präferenzen verfeinern, ohne den Nutzer durch unübersichtliche Menüstrukturen zu führen. 

Präsentation geeigneter Möbelstücke 
Mithilfe eines KI-basierten Empfehlungssystems liefert der Onlineshop eine Auswahl passender Produkte, deren Merkmale und Eigenschaften über Sprache kurz erläutert werden. Gleichzeitig lässt sich – je nach Endgerät – auch eine Augmented-Reality-Darstellung aufrufen. So kann das Sofa virtuell im Raum des Kunden angezeigt werden, was die Kaufentscheidung maßgeblich erleichtern kann.

Sprachgesteuerte Anpassungen und Varianten 
Im nächsten Schritt können spezifische Änderungswünsche des Kunden per Sprache umgesetzt werden: 

  • „Zeig mir das Sofa in einer anderen Farbe.“ 

  • „Gibt es das Modell auch als Eckvariante?“ 

  •  „Wie ändert sich der Preis, wenn ich Stoffbezug statt Leder wähle?“

Die softwaregestützten Prozesse im Hintergrund kalkulieren in Echtzeit alternative Preise und andere Informationen und spielen sie direkt zurück an den Voice-Assistenten. 

Bestellung und Checkout
Sobald der Kunde sich für ein Modell entschieden hat, leitet der Onlineshop den Kaufvorgang ein. Statt Formulare auszufüllen, verwendet der Käufer eine sichere Authentifizierung per Sprache oder ergänzt diese durch ein biometrisches Verfahren (z. B. Gesichtserkennung am Smartphone). Der Kauf wird bestätigt und die Transaktion durchgeführt, ohne dass der Kunde eine Tastatur betätigen oder auf eine klassische Webseitenoberfläche zurückgreifen muss.

Vorteile und Nutzen für Onlinehändler
Höhere Servicequalität entsteht durch die automatisierte, aber dennoch persönliche Beratung mithilfe von Sprachassistenz. Kunden erhalten unmittelbar Antworten auf ihre Fragen, was potenzielle Kaufabbrüche reduziert und das Einkaufserlebnis angenehm gestaltet.
Eine stärkere Kundenbindung lässt sich durch das reibungslose Voice-Commerce-Erlebnis aufbauen: Der Onlineshop wirkt wie ein kompetenter, immer verfügbarer Gesprächspartner. Gleichzeitig entfallen Barrieren wie komplizierte Filtermenüs, weil der Beratungsprozess natürlicher und intuitiver abläuft. Dies ist besonders vorteilhaft in Zeiten, in denen viele Nutzer Schwierigkeiten haben oder schlicht unwillig sind, sich durch komplexe Oberflächen zu navigieren oder differenzierte Suchanfragen zu formulieren. 
Ein zusätzlicher Vorteil zeigt sich in den präzisen Produktempfehlungen. Mithilfe KI-gestützter Analyse erhalten Käufer kontextualisierte Vorschläge, die optimal zu Stil und Budget passen. Gerade im Möbelhandel, wo Passform, Größe und Ästhetik stark variieren, bietet dies einen erheblichen Mehrwert.
Zudem lassen sich Retourenquoten senken. Augmented Reality und ausführliche Sprachberatung ermöglichen es, ein Möbelstück vorab virtuell zu prüfen – sei es in Hinblick auf die Größe, Farbgebung oder räumliche Wirkung. Fehlkäufe verringern sich, was sowohl für Händler als auch für Kunden von Vorteil ist.
Nicht zuletzt bietet Voice Commerce eine klare Wettbewerbsdifferenzierung in einem dicht besetzten Markt. Händler, die innovative sprachgesteuerte Einkaufserlebnisse ermöglichen, profilieren sich als kundenorientierte und moderne Anbieter. Auch die Sprachbarriere kann mithilfe fortgeschrittener KI-Technologien praktisch entfallen: Statt sich auf eine einzige Sprache zu beschränken, lassen sich mehrsprachige Voice-Assistenten einsetzen, was zusätzliche Märkte und Kundengruppen erschließt. So entsteht langfristig eine stärkere Marktposition und ein noch breiteres Kundenpotenzial. 

Entwicklungspotenziale und Trends 
Die Weiterentwicklung von Voice Commerce wird voraussichtlich Hand in Hand gehen mit Fortschritten in den Bereichen Natural Language Processing (NLP) und künstlicher Intelligenz. Denkbar sind Szenarien, in denen Sprachassistenten nicht nur einfache Suchanfragen verstehen, sondern auch Emotionen in der Stimme erkennen und dementsprechend reagieren. Ein Kunde, der zögerlich oder unsicher klingt, könnte beispielsweise automatisch zusätzliche Beratung oder Alternativvorschläge erhalten. 
Parallel dazu wird die Verknüpfung mit Virtual-Reality-Showrooms immer einfacher und kostengünstiger, sodass Kunden virtuell durch komplett eingerichtete Räume navigieren können, ohne stationäre Möbelausstellungen besuchen zu müssen. Insofern kann Voice Commerce künftig auch in VR-Umgebungen integriert werden und beispielsweise die Navigation sowie Interaktion in diesen virtuellen Showrooms übernehmen. 
Auch Sicherheitsaspekte gewinnen an Bedeutung: Um das Vertrauen der Käufer in sprachbasierte Kaufprozesse sicherzustellen, wird es essenziell sein, biometrische Authentifizierungsverfahren oder vergleichbar sichere Lösungen zu etablieren. Zudem können Datenschutzanforderungen steigen, da sehr persönliche Vorlieben und Wohnsituation der Kunden in die Empfehlungssysteme einfließen.


Fazit

Voice Commerce birgt für den Möbelhandel durchaus ein erhebliches Potenzial, den Weg zum Kaufabschluss deutlich zu vereinfachen und das Einkaufserlebnis grundlegend zu verändern. Wo heute die Suche nach dem passenden Polstermöbel über manuelle Eingabe in Suchmasken erfolgt, könnte schon morgen ein persönlicher Sprachassistent durch den gesamten Kaufprozess führen – von der anfänglichen Bedarfsanalyse über die produktindividuelle AR-Visualisierung bis hin zur Bezahlung und Lieferung. 

Für Onlinehändler bedeutet dies eine einzigartige Chance zur Differenzierung sowie zur intensiveren Kundenbindung. Wer in frühzeitige Implementierungen investiert und innovative Services anbietet, kann sich nachhaltig vom Wettbewerb abheben. Damit weicht die eingangs zitierte „rückständige“ Tastatur aus älteren Science-Fiction-Filmen immer mehr einer fortschrittlichen, dialogorientierten Handelswelt, in der die Stimme – letztendlich – zum wichtigsten Werkzeug des Kunden wird.